Liebstattsonntag
Am 4. Fastensonntag feiert man seit dem 17. Jahrhundert in Gmunden den „Liebstattsonntag“. Der Ursprung dieses Brauches geht auf die Corpus Christi Bruderschaft zurück, die sich 1641 in Gmunden neu aufstellte. Der Bestand derselben wurde über Ansuchen des damaligen Gmundner Stadtpfarrer Thomas Mayr vom damaligen Passauer Bischof Leopold Wilhelm am 19. Dezember 1641 bestätigt. Dieser Bruderschaft gehörten damals Männer und Frauen aus den besten Gmundner Kreisen an. Ihr Vorsitzender war der Stadtpfarrer, Beisitzende waren der Stadtrichter und ein hoher Beamter des Salzamtes. Die Corpus Christi Bruderschaft hielt jedes Jahr an diesem Fastensonntag ihre Jahresversammlung ab und erneuerte dabei das Gelöbnis der Glaubenstreue und der brüderlichen Liebe. An diesem Tag lud die Bruderschaft die alle Armen und Notleidenden der Stadt zu einem festlichen Mahl im Pfarrhof ein. Auf diese Weise konnte man den Armen und Notleidenden die „Liebe b’statten“ (= bestätigen). Von diesem Begriff erhielt dieser Fastensonntag in Gmunden den Namen „Liebstattsonntag“.
Dieser zuerst kirchlich-caritative Brauch wurde im Laufe der Jahre zu einem wahren Volksbrauch. Das Volksverständnis machte aus dem „Liebe b'statten“ bald ein „Liebe abstatten“. Dabei spielten Herzen und Met eine große Rolle. Bald wurde dieser Sonntag der Tag, an dem der Bursch dem geliebten Mädchen ein schön verziertes, mit einem Spruch versehenes Lebzeltherz zum Zeichen seiner Liebe verehrte. Es wandelten sich dabei zwar manche Äußerlichkeiten, aber das Wesentliche blieb erhalten: An diesem festlichen Sonntag mitten in der Fastenzeit gehen auch heute noch viele Gläubige - teilweise in schöner alter Tracht - zu einem Festgottesdienst in die Stadtpfarrkirche und dann werden den gesamten Tag lang spruchgezierte Lebzeltherzen und heute auch andere Leckereien gekauft und verschenkt.
Werbeeinschaltung in einer Zeitung aus dem Jahr 1900
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es dann etwas ruhiger um diesen Brauch. Franz Bogner, der damalige Vereinsobmann der „Traunseer”, organisierte nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1946 eine größere Liebstattfeier und erweckte den Liebstattsonntag damit wieder zum Leben. Damals wurden erstmals auch Lebkuchenherzen verschenkt. Die Sprüche, die darauf verewigt sind, haben sich im Lauf der Zeit natürlich verändert. „Bei mein Weibi bleib i”, war in den 1950er und 60er Jahren ein weitverbreiteter Vers. Immer öfter mischten sich damals in die Liebesbekundungen auch witzige Sprüche wie „Wer uns getraut, g'hört g'haut”.
Der damalige Obmann der „Traunseer“ Franz Bogner (Bildmitte)
erweckte den Liebstattsonntag nach dem Zweiten Weltkrieg aus seinem Dornröschenschlaf.
Auch die Mitglieder der Trachtenvereine „Traunseer” und „Alt-Gmunden” sowie die örtliche Goldhauben- und Kopftuchgruppe verschenken nach dem Festgottesdienst in der Stadtpfarrkirche beim Festzug auf den Rathausplatz etwa zweitausend Liebstattherzen an Einheimische, Freunde und Gäste - solange der Vorrat reicht.
Zwei alte Liebstattsonntagsprüche:
„Gegen jede Art von Schmerz
hilft ein echtes Liebstattherz -
drum ward dieses auch in Gmunden
vor Jahrhunderten erfunden.“
„Dies Lebzeltherz in Deiner Hand,
zur Liebstatt Dir verehrt am Band,
weil es so Brauch seit altersher,
erfreue Dich auch beim Verzehr!“
Anlässlich des 110-jährigen Vereinsjubiläums des Trachtenvereins „Traunseer” im Jahr 2014 wurde der Gmundner Liebstattsonntag von der UNESCO in das Österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Der Obmann und die Schriftführerin des Trachtenvereins „Traunsee“, Franz und Margarete Wolfsgruber, mit einem Lebkuchenherz, auf dem die von der UNESCO erfolgte Aufnahme des Brauches in das Österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes festgehalten wird.
Ein Herz aus der Produktion für 2020 mit dem Vermerk "UNESCO Kulturerbe"
Je nach Witterung kommen jedes Jahr am 4. Fastensonntag mehr als 10.000 Besucher in die Traunseestadt, um sich gegenseitig Lebkuchenherzen mit diversen Sprüchen zu schenken. Viele sagen sich mit diesen Herzen Dinge, die sie sich sonst nicht zu sagen trauen.
Dass von diesem Brauch auch die kreativen Konditoren profitieren, die ihre Lebkuchenherzen in der ganzen Stadt verkaufen, versteht sich von selbst.
Eine Konditorin beim Verzieren der Herzen
Trachtengruppen in der Kirchengasse
Eine Trachtengruppe auf dem Rathausplatz
Besonders Kinder werden beschenkt.
Auf den Verkaufsständen türmen sich Berge von Lebkuchenkerzen
Verfasser dieses Beitrages ist Holger Höllwerth.