Die Traunsee-Tram

Jedem fällt gleich die moderne Straßenbahn bei der Durchfahrt durch die Altstadt von Gmunden auf. Nur fünf innerstädtische Straßenbahnnetze gibt es gegenwärtig noch in Österreich. Es ist also schon eine Besonderheit, dass ein solches Verkehrsmittel in einer Kleinstadt wie Gmunden heute für Bürger und Besucher regelmäßig unterwegs ist!

Die „Elektrische Tramway“
Der Grund dafür liegt über ein Jahrhundert zurück, als von den Eisenbahnpionieren Josef Stern und Franz Hafferl eine Bahntrasse durch das Salzkammergut und über den Hausruck geplant wurde: Die Strecke sollte nicht zu nahe an die auf Ruhe bedachte Kurstadt Gmunden herangeführt werden. Deshalb wurde 1877 der damalige Rudolfsbahnhof außerhalb des Stadtzentrums errichtet. Letztlich erwies sich aber die Entfernung als zu weit, Beschwerden von den Fahrgästen waren die Folge. Die Stadt beschloss daraufhin den Bau einer Straßenbahnverbindung bis zum Rathausplatz. Grundsätzlich kam dafür nur eine elektrische Tramway in Frage, weil die Bürgerschaft eine mit Dampf betriebene wegen der Lärm- und Geruchsbelästigung ablehnte. Es war aber unumgänglich, hierbei auch eine Kraftstation zur Stromerzeugung - die erste übrigens in Gmunden - in dieses Vorhaben einzubeziehen. Um den Höhenunterschied von 61 Metern zu überwinden, musste die Trasse in einem Bogen von etwa 2,5 Kilometern Länge teils mit maximal zehnprozentiger Steigung angelegt werden. Die Bauarbeiten dauerten etwa vier Monate. Am 13. August 1894 erfolgte die offizielle Eröffnung der eingleisigen Bahnstrecke mit neun Haltstationen. Während der Probefahrt des Triebwagens GM 1 mit Geschwindigkeiten bis zu 25 Stundenkilometern waren Reit- wie Zugpferde entlang der Strecke postiert worden, um die Tiere schon einmal visuell wie akustisch an die Bahn zu gewöhnen.


Elektrischer Triebwagen GM1 anno 1894
Zeichnung von Annemarie Reinitzhuber

Schwankendes Fahrgastaufkommen
Bereits im ersten Betriebsjahr transportierte die Bahn 116.018 Personen und 3.452 Stück Gepäck. Das Fahrgastaufkommen entwickelte sich erfreulich, so dass weitere Fahrzeuge angeschafft werden mussten. Im Jahre 1910 war sogar eine Verbindung der Strecke durch die Innenstadt zum damaligen Vorchdorfer-Bahnhof beschlossen worden, die aber wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr in Angriff genommen werden konnte. Auch während der beiden Weltkriege stieg jeweils die Zahl der beförderten Personen; 1946 wurde dann sogar mit 736.898 Fahrgästen ein bis heute gültiger Rekord aufgestellt. Der zunehmende Individualverkehr ließ aber die Straßenbahn in der Innenstadt immer mehr zum Verkehrshindernis werden. 1975 wurde die Endstation vom Rathausplatz zum Franz-Josef-Platz zurückverlegt. Infolge dieser Streckenverkürzung verminderte sich die Fahrgastzahl auf jährlich etwa 300.000. Der Betrieb war unwirtschaftlich geworden, was immer wieder zu Einstellungsdiskussionen führte. Trotz verschiedenster Rationalisierungsmaßnahmen stand diese historische Straßenbahn im Jahre 1989 schließlich kurz vor ihrer Einstellung.

Die Gmundener wollen ihre Straßenbahn behalten
Auf Grund einer Befragung langten über 6000 Unterstützungserklärungen aus der Bevölkerung ein, weshalb man sich ernsthaft mit der Zukunft der Straßenbahn auseinanderzusetzen begann. Die damaligen Ölkrisen sowie das zunehmende Umweltbewusstsein bewirkten ein weltweites Umdenken weg von Individualverkehr hin zum verstärkten Ausbau der Nahverkehrssysteme. Richtigerweise wurde der Verein Pro Gmundener Straßenbahn mit der Überlegung gegründet, den Erhalt der Bestandsstrecke in ihrer Gesamtheit sicherzustellen sowie - noch als Vision - deren Weiterführung zur Lokalbahn nach Vorchdorf zu verwirklichen.
Nach einer eingehenden Planungsphase erfolgten im ersten Schritt Maßnahmen zur Erneuerung des bestehenden Gleisunterbaus und der veralteten Signaltechnik sowie die Sanierung sämtlicher Haltestellen. Dann im Jahre 2006 wurde der nächste Schritt von den zuständigen Stellen grundsätzlich gutgeheißen: nämlich der Zusammenschluss von Straßen- und Lokalbahn! Aber bis es soweit war, vergingen noch acht Jahre!

Die Straßenbahn-Durchbindung als Jahrhundertprojekt
Das Gesamtvorhaben und dessen Finanzierung wurde schließlich im Jahre 2013 im Gemeinderat als auch im O.Ö. Landtag mehrheitlich genehmigt. In den nächsten vier Jahren fanden umfangreiche Bauarbeiten statt zur Verwirklichung einer durchgehenden 850 Meter langen zweispurigen Strecke auf dem Straßenabschnitt zwischen dem Franz-Josef-Platz und dem Seebahnhof - dem Verknüpfungspunkt mit der Traunsee-Lokalbahn. Dazu galt es, den Gleisunterbau begleitende Tiefbauarbeiten (Gas, Wasser, Kanal, Strom, Telekom, Kabel, Signalanlagen) durchzuführen, Verkehrsflächen (Fahr- und Fußwege) und Parkanlagen wieder herzustellen sowie eine neue Brücke über den Traunfluss zu errichten. Die Koordinierung dieser Bauarbeiten gestaltete sich wegen der verschiedenen beteiligten Gewerke als besonders schwierig. Zur Aufrechterhaltung eines geordneten Straßenverkehrs musste das Vorhaben in mehrere zeitliche und örtliche Lose aufgeteilt werden.


Haltestelle Franz-Josef-Platz im modernen Design
Foto: Fritz Reinitzhuber

Ein wahrer „Schatz Gmundens“
Am 1. September 2018 begann eine neue Epoche des öffentlichen Verkehrs für die Bewohner und Gäste in der Bezirksstadt Gmunden. Durchgehende Fahrten in komfortablen Niederflurgelenkwagen der Traunsee-Tram durch das Stadtzentrum ins Alpenvorland hinaus nach Vorchdorf sind nunmehr Realität geworden! Während der ersten 14 Tage war das Interesse so groß, dass zeitweise wegen Überfüllung etliche Fahrgäste nicht mitgenommen werden konnten! Die Traunsee-Tram hat nach Inbetriebnahme in einem Jahr bereits 713.000 Personen transportiert.
Die Strecke, unterteilt in drei Tarifzonen, wird heute im Taktfahrplan bedient, wobei eine optimale Vernetzung sowohl mit den überregionalen Österreichischen Bundesbahnen als auch mit den regionalen Citybussen im Vordergrund steht. Es bieten sich unzählige Nutzungsmöglichkeiten entlang der 18 Bahnkilometer an: sowohl im Schüler- und Pendlerverkehr als auch in der Freizeitgestaltung und im Tourismus! Somit wird der Lebens- und Wirtschaftsraum im nördlichen Salzkammergut deutlich aufgewertet und macht diesen für Menschen, die sich nachhaltig und umweltfreundlich fortbewegen wollen, noch attraktiver.


Fahrt der Traunsee-Tram durch das Trauntor
Foto: Martin Zellhofer


Die gesamte Traunsee-Tram-Strecke

Diesen Beitrag verfasste Dr. Fritz Reinitzhuber im Februar 2021.

Verwendete Literatur:
www.gmundner-strassenbahn.at
https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Gmunden
https://www.gmundner-strassenbahn.at/wp-content/uploads/2019/10/Strassenbahngeschichte-2019-10-23-end.pdf https://www.stadtregiotram-gmunden.at/index.php/streckenuebersicht-gmunden-vorchdorf.html
Piringer, Karl: Gmundner Chronik, Bd. I (1978), S. 351f