Villa Toscana - Große Villa Toscana - Schlossvilla Toscana
In Gmunden werden zwei Objekte als "Villa Toscana" bezeichnet: die eigentliche sog. Große Villa Toscana, auch Schlossvilla genannt, und die sog. Kleine Villa Toscana, ehemals Villa Pittel. Letztere wird in einem eigenen Beitrag behandelt.
Die beiden Villen Toscana heute
links die Große Villa Toscana
rechts die Kleine Villa Toscana, auch Villa-Stonborough
Quellen: Foto: Franz Six und Internet
Adressen:
Große Villa Toscana: früher Ort 5, heute Johann-Orth-Allee 23 und Toscanapark 6
Kleine Villa Toscana: früher Ort 4, heute Johann-Orth-Allee 21
Die Große Villa Toscana wurde 1869/70 erbaut. Das Anwesen liegt auf der Halbinsel Toscana direkt beim Landschloss Ort. Erbaut wurde sie im Auftrag der Großherzogin von Toscana Maria Antonia. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde sie im Geist des Jugendstils im Auftrag von Margarete Stonborough-Wittgenstein umgestaltet. 1975 kam sie durch Kauf in den Besitz des Landes Oberösterreich.
1866 verbrachten Großherzog Leopold II. von Toskana und seine Gemahlin Großherzogin Maria erstmals den Sommer am Traunsee. Gewohnt haben sie damals in der Villa Ranzoni in Altmünster.
Leopold II. und Maria Antonia in jungen Jahren
Quelle: Internet Wikipedia
Großherzogin Maria Antonia (1814-1898) als Witwe im Jahr 1880
Quelle: Internet Wikipedia
Das großherzogliche Paar hatte insgesamt 10 Kinder. Etliche sind bald verstorben.
Auf diesem Foto sieht man von links Johann Nepomuk Salvator (der spätere Johann Orth), Vater Großherzog Leopold, Ferdinand IV., Ludwig Salvator und Karl Salvator.
1868 nutzte man als Quartier die Villa Pittel in Ort. (Diese war 1843 im Auftrag von Herrn Sulzl im Biedermeierstil gebaut worden. 1849 war sie in den Besitz des pensionierten k. k. Oberstleutnant Freiherrn Christoph von Pittel übergegangen.)
Die Villa Pittel 1865
Zeichnung von Carl Ritter
Quelle: Salzkammergut Media
1868 starb Freiherr von Pittel. Damit bot sich für die großherzogliche Familie die Chance, dessen Villa zu kaufen und in den nächsten Jahren als Sommersitz zu nutzen. In diesem Jahr konnte sie tatsächlich die Villa Pittel in Besitz nehmen.
1869 kaufte Großherzog Leopold auch noch das Landschloss und das Seeschloss Ort. Somit gehörte nun die gesamte Orter Halbinsel der Familie des Großherzogs von Toscana.
1869/70 wurde auf Betreiben von Großherzogin Maria Antonia als repräsentatives Domizil auf der Anhöhe der Halbinsel Ort eine Villa gebaut. Sie erhielt den Namen Villa Toscana. Die Baupläne lagen bereits 1869 vor. Sie sind vom heimischen Baumeister Josef Machan und von Martin Weghaupt signiert. An der Planung war auch der Theophil Hansen-Schüler Ernst Ziller beteiligt. Den Entwurf soll auch der bei Baubeginn erst 17 Jahre alte Erzherzog Johann Nepomuk Salvator mitgestaltet haben. Das Gebäude wurde inmitten des 88.000 m² großen Parks als "Prinzenresidenz" errichtet. (Zur besseren Unterscheidung von der früheren Villa Pittel erhielt die Villa später den Zusatz Große Villa Toscana. Sie wurde auch Schlossvilla Toscana genannt.) Die ehemalige Villa Pittel wurde nun nur mehr für das Personal verwendet. Daher wurde es damals auch Gärtnerhaus genannt.
Diese 1870 angefertigte aquarellierte Zeichnung von Carl Ritter zeigt
die Villa Toscana des Großherzogs Leopold von Toscana in Ort.
Sie wurde von Baumeister Machan 1869/70 erbaut.
Quelle: Salzkammergut Media
1872 verkaufte Großherzogin Maria Antonia zwei Jahre nach dem Tod ihres Gemahls die gesamte Halbinsel samt Landschloss an eine Baugesellschaft. Möglicherweise waren dafür Erbangelegenheiten maßgebend.
1876 kaufte der jüngste Sohn der großherzoglichen Familie Erzherzog Johann Nepomuk Salvator das Landschloss und noch in diesem Jahr das gesamte Areal auf der Halbinsel.
1878 kam auch das Seeschloss Ort hinzu. Damit war die Halbinsel Toscana mit allen Objekten im Besitz von Johann Nepomuk Salvator.
Dieses wahrscheinlich aus dem Winter 1879/80 stammende Foto zeigt
rechts die Villa Toscana in ihrem ursprünglichen Zustand und
links auch noch das Landschloss in seinem damaligen Aussehen.
Foto: Kammerhofmuseen Gmunden
Nachdem der Erzherzog nach seinem Südamerika-Abenteuer 1911 offiziell für tot erklärt worden war, fiel sein Erbe an die zwei noch lebenden Brüder und einige Neffen. Alle diese hatten an dem Besitz kein Interesse und suchten ihn rasch los zu werden. Am besten schien es ihnen, das gesamte Anwesen auf der Halbinsel mit dem Park und den beiden Villen zu verkaufen.
1913 kam es zu einer öffentlichen Auktion der beiden Villen Toscana und des 88.000 m² großen Parks. Bestbieterin war Margarete Stonborough, geb. Wittgenstein. Sie erwarb um den Preis von 335.000 Kronen von den nunmehrigen Erben Ludwig Salvator, Josef Ferdinand und Leopold Salvator von Toscana den gesamten Besitz. Der Betrag war um 200.000 Kronen weniger als der Schätzwert. Grund für diesen geringen Preis dürften die hohen Erhaltungskosten und die geringe Nachfrage gewesen sein.
Über das dafür nötige Geld verfügte sie, weil sie nach dem Tod ihres reichen Vaters Karl Wittgenstein im Jänner 1913 über eine beträchtliche Erbschaft verfügte. Einen Teil derselben hat sie für diesen Ankauf verwendet. Sie hatte die Absicht, sich dort in diesem feudalen Ansitz einen ständigen Sommersitz zu schaffen.
Laut Kaufvertrag vom 23. Oktober 1913 war auch ihr Ehemann, der New Yorker Fabrikanten und Chemiker Dr. Jerome Stonborough, Mitbesitzer. Mit dem war sie seit 7. Jänner 1905 verheiratet. Ihnen gehörte nun die gesamte Halbinsel Toscana mit der Großen und der Kleinen Villa Toscana und dem großen Park.
Margarete Stonborough-Wittgenstein (1882-1958)
Quelle: Internet Villa Nasu
Dr. Jerome Stonborough (1873-1938)
Quelle: Internet
Die Große Villa war aber in einem äußerst schlechten Zustand. Sie war ja 14 Jahre lang nach der Abreise des Erzherzogs nach Südamerika mehr oder minder leer gestanden. Das war an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Der prachtvolle leicht zum Ufer des Traunsees abfallende Park entschädigte allerdings dafür. Es ist anzunehmen, dass die tatkräftige und phantasievolle Margarete gerade vor allem die Aufgabe, das Haus zu renovieren und neu zu gestalten, besonders gereizt hat.
1917 - nach dem Eintritt der USA in den Krieg – zogen Jerome und Margarete Stonborough in die USA. Durch ihre Ehe hatte ja Margarete die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Beide zogen nach Amerika , um so möglichen Anfeindungen und der in der k. u. k. Monarchie herrschenden Not zu entgehen. Die letzten zwei Kriegsjahre sollen sie schließlich in England zugebracht haben.
Nach dem Ende des Krieges kehrte Margarete nach Österreich zurück. Voller Enthusiasmus nahm sie nun die Renovierung der Villa Toscana in Angriff. Die künstlerisch gebildete und begabte Frau ließ das Gebäude nach ihren eigenen Entwürfen durch den Architekten und Wagner-Schüler Rudolf Perco umgestalten und dabei den Charakter der Räume und die Raumaufteilung ihrem Lebensstil entsprechend verändern.
Nicht ausgeführter Entwurf für eine Neugestaltung der
Fassade der Villa Toscana von Rudolf Perco, 1920
Quelle: Internet
1923 wurde die Villa fertiggestellt.
Die Schönheit dieser Zufluchtsstätte preisen auch die lateinischen Inschriften, die der Erbauer des Schlosses an den vier Seitenwänden hat schreiben lassen. Die lateinischen Aufschriften unterhalb der Giebel bedeuten z. T. in freier Übersetzung: An der Nordwand: „JUDICE AB IPSO LARE INCIPE"-„Nach dem Urteil des Hausgottes selbst“; an der Westwand: „PECCANDO DISCITUR ARS" - „Durch Fehler lernt man die Kunst“; gegen Osten: „BEATUS ILLE, QUI PROCUL NEGOTIIS" - „Glücklich jener, der fern ist von Verpflichtungen“ (= Horaz, Epode 2, 1) und gegen Süden: „DEUS NOBIS HAEC OTIA FECIT" - „(Ein) Gott hat uns diesen Ruheplatz gemacht“ (= Vergil, Ekloge 1, 6).
Nach der aufwändigen und kostenintensiven Renovierung und Restaurierung der Villa hielt sich die Familie Stonborough immer wieder auf dem Anwesen auf. Das Areal blieb bis zum Jahre 1938 Mittelpunkt sommerlicher Unbeschwertheit, gesellschaftlichen Lebens und interessanter Begegnungen.
1923 trennten sich das Ehepaar, dennoch konnte Jerome die Schlossvilla weiterhin benutzen. Wegen der Kinder - das Ehepaar hatte zwei Söhne: Thomas und John Jerome - ließ Margarete sich erst im Juni 1938 scheiden.
Kurz danach beging Jerome im Juni 1938 in der Villa Selbstmord. Er erschoss sich mit einem Jagdgewehr. (Jerome liegt im Familiengrab auf dem katholischen Friedhof Gmunden begraben.)
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich weckte die Villa Toscana natürlich die Begehrlichkeiten der Nationalsozialisten, aber Margarete war durch ihre Ehe mit Jerome amerikanische Staatsbürgerin geworden. Daher erwies sich eine Enteignung als kompliziert. Die Chance darauf ergab sich, nachdem die NS-Behörden Margarete als unerwünschte Person eingestuft und sie des Landes verwiesen hatten. Als Argument wurde ein Verfahren vorgeschoben, das Margarete als Passfälscherin auf dem Hals hatte. (Sie wollte durch diese Aktion Verwandte vor den Nazis schützen.)
Erst 1940 emigrierte Margarete Stonborough in die USA. Um dem Raumbedarf diverser NS-Stellen nachzukommen, ließen die NS-Machthaber die Große Villa räumen. Die Einrichtung wurde in ein Depot verbracht. Vorerst wurde das Gebäude in eine NS-Schule für Führungskräfte umfunktioniert. Einzig das Gästehaus, die sog. Kleine Villa Toscana-Stonborough, konnte weiter von der Familie genutzt werden.
Zur Jahreswende 1944/45 wurde ein „Entbindungs-, Mütter- und Kinderheim“ aus Brünn nach Gmunden in die Villa Toscana verlegt. Diese diente auch 1945/46 noch weiter als Geburtshilfestation.
Da sich die Schlossvilla formal auch in der NS-Zeit in Margaretes Besitz befand, stand nach dem Krieg einer Rückgabe derselben nichts im Wege.
1946 kehrte Margarete erstmals nach Österreich zurück und kümmerte sich um die Regelung ihres Besitzes in Wien und Gmunden.
1947 ließ sie sich dann wieder ganz im damals noch reichlich zerstörten Wien nieder.
Die noch lebenden Familienmitglieder kamen nun wieder zu den früher so beliebten Sommertreffen. Mit dem Orter Pfarrer Ernst Aigner verband Margarete eine gute Freundschaft. Gerne stellte sie ihm auch die Halbinsel zur Abhaltung der jährlichen Fronleichnamsprozession zur Verfügung.
In den 1950er Jahren war Margaret alt und kränklich geworden. Sie konnte und wollte die Verantwortung für ihren Besitz nicht weiter führen. Am 30. Dezember 1955 verkaufte sie daher den Toscana-Besitz ihrem zweiten Sohn John Jerome um einen Kaufpreis von 365.000 Schilling. Sie behielt das lebenslängliche Wohnrecht, die landwirtschaftlichen Gründe auf der Halbinsel blieben weiterhin an Johns Bruder Thomas verpachtet.
Am 27. September 1958 verstarb Margarete Stonborough in der Klinik des Wiener Rudolfiner-Hauses an Herzversagen im 77. Lebensjahr. Sie wurde in ihr geliebtes Gmunden überführt, wo sie an der Seite ihres Mannes beigesetzt wurde. (Das Familiengrab gibt es auch heute noch auf dem Gmundner Stadtfriedhof an der linken Außenwandreihe.) Als Margarete starb, war allerdings von dem sagenhaften Reichtum des Wittgenstein-Clans praktisch nichts mehr vorhanden.
Die Villa wurde in der Folge nur mehr teilweise bewohnt, denn der neue Besitzer John Jerome Stonborough lebte großteils in London. So war es kein Wunder, dass er zu Beginn der Siebzigerjahre Verkaufsabsichten äußerte.
1975/76 ging der Besitz nach längeren Verhandlungen mit John Jerome Stonborough in das Eigentum des Landes Oberösterreich über. Der Kaufpreis betrug 32 Millionen Schilling. Die Stonboroughs behielten sich nur die Kleine Toscana Villa.
In den folgenden Jahren wurde in unmittelbarer Nähe der Villa nach den Plänen des Gmundner Architekten Dipl.-Ing. Gerhart Hinterwirth das baulich mit der Villa verbundene imposante Kongresszentrum - aus Beton - errichtet.
Im Zuge dieser Arbeit wurde die Villa Toscana stilvoll renoviert. Ein im Jugendstil eingerichtetes Kaffeehaus, sowie Sekretariat, Verwaltung und Direktion des Kongresshauses wurden im Erdgeschoss der Villa untergebracht. Im 1. Stock entstanden fünf Seminarräume, welche eine Kapazität von 10 bis 60 Personen haben.
1982 wurde das Kongresshaus Gmunden eröffnet.
Blick auf das Kongresszentrum und die Schlossvilla Toscana aus verschiedenen Richtungen
1994 verkaufte die Familie Stonborough die Kleine Villa Toscana-Stonborough an die Stadt Gmunden. 2001 wurde dieses Gebäude restauriert. Darin war einige Jahre ein Thomas-Bernhard-Archiv eingerichtet.
Die Große Villa Toscana aus zwei verschiedenen Blickrichtungen und im Winter
Die Villa Toscana bietet acht Seminarräume, u. a. den Prunkraum mit seiner beeindruckenden Kassettendecke und die ehemalige Bibliothek mit Original-Leihgaben aus dem OÖ Landesmuseum.
Die stilvollen Räume der Schlossvilla Toscana werden heute
für diverse Veranstaltungen, Hochzeiten und Seminare genutzt.
Quelle: Internet
Die Halbinsel Toskana mit der Schlossvilla Toscana, dem Kongresszentrum und den beiden Schlössern Ort:
Blick auf die Halbinsel Toscana
In der Bildmitte die Große Villa Toscana; dahinter das Konferenzzentrum;
am oberen Bildrand das Seeschloss Ort
Die Kleine Villa Toscana wird bis auf das rote Dach weitgehend von den Bäumen vor dem Landschloss Ort verdeckt.
Quelle: Internet
Diesen Beitrag gestaltete und verfasste Holger Höllwerth.